Ich will nach vorne treten!

Von den Brettern, die die Welt bedeuten.

Vor einem Jahr hörten wir schon das „Totenglöckchen“ für die Bühnen läuten.

Am zweiten Sonntag im März 2020 war der letzte PoetrySlam in der Kofferfabrik.

Ich stand damals auf der Bühne und machte mit.

Ich habe zur Erinnerung einen Text von 2017, über „das Reden“ ausgesucht.

Die Kofferfabrik war bis auf den letzten Platz besucht.

 

ICH WILL NACH VORNE TRETEN!

Man sagt, ich wäre exzentrisch

und dazu noch egozentrisch.

Doch was tu ich nun, kreise ich außerhalb der Mitte

oder kreise ich um mich alleine?

Ich marschiere nicht mehr im Gleichschritt

mit den anderen mit.

Als ich dies noch tat, fühlte ich mich unwohl,

im Inneren völlig hohl.

Damals war ich zu schwach.

Mein stilles ICH versteckte sich, doch nun bin ich wach!

Vom Schlaganfall aufgerüttelt,

von vielen Therapeuten wach geschüttelt.

Vom eurem Applaus ernährt und gehegt,

wieder belebt,

will ich nach vorne treten!

 

Um zu euch zu reden,

mit euch lachen,

Mal was Verrücktes machen,

euch umarmen, mein Publikum lieben.

Stehe ich hier oben, wachse ich zu ungeahnter Größe

und ich gebe mir keine Blöße,

wenn ich sage, ich liebe jetzt solche Situationen

und ich würde gerne noch etwas wohnen

dürfen, in der Kofferfabrik bei euch.

Weil hier Worte mir von den Lippen fließen,

Gedanken in meinen Gehirnhälften sprießen,

die sich manifestieren in Tinte auf das Papier.

 

Holt noch Wein und Bier,

dann schließt die Tür.

Es ist PoetrySlam-Zeit

und ich bin bereit

wieder ins Rampenlicht zu treten,

zu euch zu reden.

Über was?

Freude, Leid und Spaß,

die Zeit zu Zweit,

über Glückseligkeit.

Dem Ärger mit den Nachbarinnen

oder über die Angst vor Spinnen.

Über die Liebe im Leben,

über Nehmen und Geben,

über Danke und Bitte,

über Yoga und wo finde ich meine Mitte.

Ich rede über das Tagträumen,

im Schatten liegend unter Bäumen.

Über die Kofferfabrik und ihr gutes Essen,

ein Dankeschön an euch, sollte ich nicht vergessen.

Über die Nacht und die Sterne.

Über Reisen in die Ferne.

Vielleicht rede ich über den Modetrend

oder über Geschichten, welche ihr noch nicht kennt.

Und darüber, ob es sich lohnt,

dass man solange wie möglich noch bei den Eltern wohnt.

Über Freunde und Familienbande,

ob es Kindern gut geht in diesem Lande.

Ob Arm oder Reich,

wir sind alle gleich

nackt am Anfang und am Ende.

Doch dazwischen füllen manche von uns Buchbände

mit geistreichen, phantasievollen und klugen Worten.

Andere machen sich Sorgen

über den Müll, Besitz und Geld,

wie sie verteilt sind in dieser Welt.

Über Lobbyisten und Politik

reden auch so viele mit.

Über die Gleichstellung der Frau,

gleichgestellt dem Manne – will ich das so genau?

Wir können doch so viel mehr mehr als er

und warum sollte ich zur Bundeswehr?

 

Ich sprach schon über des Hundes Hinterlassenschaft.

Über dies und noch vieles mehr zu philosophieren gibt mir Kraft

zum Leben.

All mein Streben

hier in diesem Raum

zu reden, war vor zwei Jahren noch ein Traum.

Nun ist er Realität

und es war nie zu spät

den Neuanfang zu wagen,

Aufzustehen und nicht mehr zu klagen.

 

Doch dann und wann

mach ich mir schon Gedanken darüber, wie lange ich noch hierher kommen kann.

Ich möchte noch über tausenderlei Dinge schreiben,

doch so viel Zeit wird mir nicht bleiben.

Ich möchte allen Danke sagen, hier im Saal

und über euch rede ich vielleicht ein andermal.

 

Nun sind die Türen verschlossen.

Wollen wir hoffen,

dass unsere vielseitige Kultur es überlebt.

Alles strebt

voran und will nach vorne treten.

Ich und die Kunst, eine Liebe für’s Leben.

Einfach einmal durchatmen

Umringt von vielen Regelbergen

saß Schneewittchen mit ihren Zwergen

auf einen Gipfel.

Der Wind sang in dem Baumwipfel

sein stürmisches Lied.

Und so entschied

irgend ein Zwergenlümmel

dieses unverständliche Regelgetümmel.

Ist dies nun ein klares Regelwerk

oder ein neuer steiniger Regelberg?

Am Horizont türmt er sich auf.

Dunkle Wolken ballen sich um ihn zuhauf.

Es blitzt und donnert im Regelgebirge.

Ladenbesitzer und Gastwirte

halten ihre Ohren zu –

bitte lasst uns mit Unsinnigem in Ruhe.

Die Kunstschaffenden, Kummer gewohnt,

fragen sich, ob es sich lohnt

überhaupt noch zu trainieren

oder etwas einzustudieren.

Diese Lockerungsbeschlüsse

sind scharfe Schüsse

vor dem Bug.

„Stop, es ist genug!“

Unter 100 darf der Osterhase

mit virenfreier Nase

zum Terminsnoppen gehen.

Unter 50 darf er andere Hasen sehen,

im Biergarten mit negativen Schnelltest,

in die Wohnung man sie ohne lässt.

Und liegen die Zahlen unter der 50 nicht auch unter 100 –

das ist es, was mich so sehr verwundert.

„Click & Meet“ ist wie „Click & Collekt“,

sind wir ehrlich, das heißt „Handel verreck“

oder verhungere am langem Arm.

Ich rufe: „Gott erbarm‘,

lass Hirn vom Himmel regnen!“

So etwas abzusegnen,

zeigt nur wie lebensfern Politik geworden ist.

Maskenpflicht, Kontaktverfolgung, Schnelltestwahn,

Registrierung – alles nehmen wir an

und sind Getriebene in eigenem Land geworden.

Von Regeln verfolgt trauen wir uns an vielen Orten

schon gar nicht mehr hin.

Wann ist Unbeschwertheit wieder in unserem Leben drin?

Denn dieses „Leben“ ist abnormal.

Die Maskenpflicht eine Qual,

ein atemhemmender Maulkorb für uns alle.

Wir sitzen in der Falle.

Umringt von einem Regelgebirge,

vom Hagelschlag der Verordnungen zerschlagen.

Wir sollten wieder mehr „Atmen“ wagen.

Einatmen,

Ausatmen,

tief und entspannt durchschnaufen!

Damit wir nicht ersticken und ersaufen

an dieser Regelflut.

Und ich fände es auch gut,

wenn ATMEN als Grundbedürfnis anerkannt.

ATMEN erlaubt und nicht verbannt.

Atmen ist Vertrauen, es sollte sein unbeschwert,

doch dieses Vertrauen nun schwer gestört.

Ich bin am Ende meines Gedichts

und denk mir bei dieser Geschicht‘:

„Zu so einer Öffnungsmatrix

sag ich am besten gar nix!“

 

Frau, du siehst gut aus!

Heute ging ich zum Friseur.

Dort erkannte ich, wer drei Monate unter dieser grauen Haarpracht wohnte

und dass ein Lächeln sich lohne

jeden Morgen vor dem Spiegel.

Ab sofort verteile ich, aus dem Cremetiegel,

die Creme wieder im Gesicht

und nicht

in den Haarspitzen,

in diesen soll sie nämlich nicht sitzen.

Auch wenn die Werbung viel verspricht,

in den Haarspitzen sitzen meine Falten nicht.

Die Kofferfabrik

Zwischen bunten Graffiti sitzen,

Sonnenstrahlen über die Dächer blitzen.

Die Ziegelsteine leuchtend rot,

aufblitzen in der Sonnenglut.

Er hat Zeit, der Koch am Grill,

weil noch niemand etwas zu essen will.

Schwarz gekleidet, orange betucht

wartet er auf die Menschenflut.

Die, bald hungrig sitzend im Garten,

auf seine Grillkünste warten.

Sanft plätschern die Stimmen,

rotbraun die Bänke schimmern.

Neben dem Grill steht das Fass.

Andreas zapft das kühle Nass,

bestellt von Kellnerinnenchor.

Ich bin ganz Ohr,

denn die „Countryroad“ wird gerade besungen.

Selten hat sie schöner geklungen,

als hier im Hof der Kofferfabrik,

die „All your need is Love“ – Botschaft im Blick.

Über mir der wilde Wein

wächst prächtig hoch am Ziegelstein.

Der Wind trägt Grillduft zu mir her.

Der Duft von Pommes legt sich schwer

darüber. Ich lausche den Liedern,

dem leisen Schaben meines Bleistiftes auf dem Papier.

Eine Menschenkarawane ist auf der Suche nach einem Sitzplatz.

In dieser hektischen Stadt ist dieser Ort ist ein versteckter Schatz.

Schwalben lärmen, die erste Fledermaus schwebt durch den Hof,

lautlos.

Die Atmosphäre ist hier einzigartig schön,

kommt lasst uns in die Kofferfabrik geh’n.

In die Galerie zum PoetrySlam und ins Theater,

wir streicheln auch einen der zahlreichen Kater.

Im Musicclub die Töne schwirren,

an der Theke Gläser klirren

und nirgendwo

ist die Schlange am Damenklo,

so informativ wie hier.

„Prost, darauf noch ein Bier“

 

Und nun soll dies alles plattgemacht werden?

Dieser Sehnsuchtsort auf Erden…

 

Genüsse sind leicht zu beschaffen

Verpackt in bunte Taschen oder Tüten

erzählen sie Mythen

von Amazonen,

welche wohnen

am Amazonas.

Geschichten von dies und das:

Gedichte von Liebe.

Briefe der Herzensdiebe,

Erotik für die Lust,

Sachbücher für den Wissensdurst.

Für Hobbykommisare jeder Art,

hält er unendlich viele Krimis parat

und mit dem Kinderbuch

ist es Aufzählung genug.

Ich kann einfach so hin laufen

und was ich möchte, meist‘ sofort kaufen.

Echtes Geld wandert von Hand zu Hand

und nimmt die Gestalt eines Buchband’s

an. Mein Buchhändler, mein Vertrauter,

schaut er

doch in mein Herz,

liest dort mein meine Wünsche, lindert meinen Schmerz,

meine Sehnsucht nach Buchstabensalat.

Für das Dessert hält er Lyrik parat

oder Prosa,

manchmal auf rosa Papier –

jedoch noch nichts von mir.