1963

In der Sternstraß‘,

Ecke Wasserstraß‘,

nahe der Brauerei dort,

habe ich gewohnt.

Der Duft nach Hopfen, Malz und Gerste,

wurde gebraut, war dies das Erste

was ich roch,

was lautlos in die Küche kroch.

 

Unter’m Dach war ich nie allein.

Viele kleine Mäuselein

trippelten des nachts leise über’s Kücheng’schirr –

klirr, klirr.

Ein Regal für’s Radio, die große Schlafcouch, der Kleiderschrank,

schon gab’s im Zimmerchen keine freie Wand.

In der kleinen Küche, hinter’m Vorhang versteckt,

ein altes Chaiselongue für mich als Bett

und das Bettchen meiner Schwester stand

oberhalb des Ofens, auf dem Küchenschrank.

 

Das Klo war nur

ein paar Schritte über’n Flur,

draußen vor der Wohnungstür.

Wir wohnten auch nicht alleine hier.

Den Rest der Wohnung teilten sich noch eine Familie und ein alter Mann.

Heute fragt man sich, wie man denn so leben kann,

ohne Wärmedämmung, direkt unter den nackten Schindeln.

Es roch oft nach Sauerkraut und vollen Windeln.

Im alten Treppenhaus stank es nach Kartoffeln und Kohl.

Die alten Plumpsklos verströmen auch keinen Wohl-

geruch. Schritte schlurften durch den Flur.

„Pssst seid still, der alte Herr mag nur

Kinder die stille schweigen.

Er nennt keine sein eigen.“

 

In den Höfen Katzen schnurren.

Auf den Dächern Tauben gurren.

Kinder hüpfen

über Pfützen.

Auf der Straße Hunde bellen.

Von den Brauereien schweben in Wellen

die Gerüche

in die Küche –

übertönten allen  Kohlgeruch.

Wir bekamen nie Besuch.

 

In Ludwig Erhards Nachbarhaus hab ich g’wohnt.

Klirr klirr, von nichts verschont.

Schönen Valentinstag

Mag er euch ein Lächeln schenken.

Mit Blumen an jemanden denken.

Lachend Pralinen überreichen.

Ein feines Dinner mit einem lieben Menschen speisen.

Es muss nicht immer der Ehemann sein.

Irgendwo ist immer jemand allein

und freut sich über ein gutes Wort.

Ich schleich‘ mich nun fort…

“ Aramsamsam, Aramsamsam,

gulli gulli gulli gulli gulli ramsamsam…“

Gute Zeit und gute Nacht,

es wacht

ein Engel mit roter Faschingsnase,

mit Maßkrug anstatt Blumenvase.

„Arafi Arafi, gulli gulli gulli gulli gulli ramsamsam,

Tanz daham, Tanz daham…

Rote Rosen möcht ich sehen,

bald wird’s Wetter wieder schön!“

Ich glaub‘ mein Schutzengel ist betrunken.

Er will nur noch schunkeln

und auf keinen Fall,

allein zum Engelsmaskenball.

Dann hinauf die Himmelsleiter,

bis zum Mond und immer weiter

zum Tanz auf dem Mars…

Bis zum nächsten Mal, das war’s.

In den Armen unseres Schutzengels nehmen wir Platz

und staunen über die Träume in seiner Schatz-

Truhe.

Doch vorher ausziehen die Schuhe.

 

 

 

 

Hauptsache billig

In vielen Treppenhäusern putzt nun eine osteuropäische Putztruppe.

Scheinbar ist es den Wohnungsbesitzern völlig schnuppe,

dass sie sich als Ausbeuter betätigen

und unser aller Ansehen schädigen.

Hauptsache, die Arbeit billig

und die Arbeiter willig

in menschenunwürdigen Unterkünften zu wohnen.

Und dann ihren Preis noch drücken, das kann sich lohnen.

Man nennt Leiharbeiter auch Humankapital –

das waren Slaven auch, anno dazumal.

Mariä Lichtmess

An der schwereren Last, zurren sie fest die Abdeckplanen.

Auf, in Richtung Morgenland ziehen die Karawanen,

sternförmig aus Stadt und Land hinaus,

gen Osten immer gerade aus.

Nur der Engel, der Leitstern hält,

bleibt hier in meiner Welt.

Damit sie im Dezember wieder zu uns finden,

wir seinen Stern in meinem Fenster binden.

Täglich wird ihn der Engel putzen.

Ab und zu dagegen hutzen,

um die Leuchtkraft zu testen

und dann sich Weihnachtslieder singend darunter setzen.

Nie aus dem Aug‘ und nie aus dem Sinn –

Weihnachten im Herzen drin.

 

Wo ist sie nur versteckt?

Das Klopapier

ist nicht immer dort,

an dem Ort,

wo es von Nöten.

Nicht einmal ein sprödes

Zeitungsblatt

hat

den rostigen Nagel an der Wand geziert.

Eine andere Dame hat sich schon abgeschmiert

damit ihren Po.

Die neue Rolle, wo

ist sie hier versteckt?

Das Schicksal mich bisweilen neckt

und egal, in welche Toiletten ich gehe,

ich leere Papprollen am Wandhalter hängen sehe.

Und schon wieder hat eine Dame vor mir,

verbraucht das letzte Blättchen Klopapier.