Poetenmutter (Kofferfabrik 2016)

Die 60 hab’ich schon geseh’n,

ich nahm es ruhig und gelassen.

Darf mit Gehstöckchen spazieren geh’n,

die Hektik der Jugend hinter mir lassen.

 

Ich fühle mich wie eure Poetenmutter.

Füttere euch mit Wortefutter

bis ihr satt seid.

7 Minuten habe ich Zeit,

euch zu einem Lachen zu animieren

und keiner schleicht sich auf allen Vieren

heimlich davon!

Nur Geduld, das Ende naht bald schon.

 

Ich möchte noch ein wenig über das Altern reden.

Mit 50 beginnt es sich im Körper zu regen.

Die Haut zeigt Falten.

Man kann sie für Zorn – oder Lachfalten halten,

dies habt ihr selbst in der Hand,

Lachfalten sehen besser aus am Strand.

Nun dürfen wir uns nach Ruhe sehnen

und mit Muse uns entspannt zurück lehnen.

 

Man braucht auch nicht mehr soviel zu kaufen.

Die Wohnung ist voll mit einem Haufen

von nutzlosen Dingen,

mit denen wir meistens die Zeit verbringen.

Mit der Mode brauch‘ ich nimmer mithalten,

darf meinen eigenen Trend jetzt voll entfalten.

Kann anziehen was mir gefällt,

ich trag‘ gern Farbe, geh‘ bunt durch die Welt.

 

Mit 60 beginnen gewisse Körperregionen sich etwas zu neigen,

mit der Schwerkraft zusammen nach unten zu gleiten.

Das Bindegewebe wird weicher und gelöster,

der BH nun etwas größer.

Auf einen Push-up kann ich jetzt verzichten,

bei mir kann man Echtes sichten.

Mein Po,

ist nicht mehr so knackig und dafür bin ich froh.

Denn nun steh‘ ich mit beiden Beinen fest

verankert in der Erde, für meinen Lebensrest.

Ich bin nun ein wenig üppig und nenne dies stur –

eine Rubensfigur.

 

Neue Haare nun mitten im Gesichte sprießen,

mein neuer Oberlippenbart stört mich beim Niesen.

Mein Gatte rasiert sich nicht so oft wie ich,

er einmal in der Woche, dagegen ich zwei- bis dreimal sicherlich.

Meine Augenbrauen führen nun ein Eigenleben.

Sie zu zupfen habe ich längst aufgegeben.

Sie wuchsen zu gut sichtbaren Balken,

werden schon grau und gestalten

meinen Blick etwas markant.

Sieht gut aus, dachte ich, als ich vorm Spiegel stand.

 

Auch eine neue Haarfarbe brauche ich nicht.

Meine Naturfarbe steht mir gut zu Gesicht.

Die Farbe wechselt von alleine,

da brauch‘ ich nicht nachzuhelfen, wie ich meine.

Abgestimmt auf jede Alterszeit,

trage ich das passende Haarfarbenkleid.

 

Meine Mundwinkel geben etwas nach unten nach.

Doch ich lächle gern an jedem Tag

und lächelt niemand mir zurück,

lenke ich zum Spiegel meinen Blick.

Lächle mir zu

und im Nu

erfüllt mich Leichtigkeit und heiter,

geht der Tag entspannter weiter…

… und endet manchmal auch hier,

bei euch. Ihr sitzt jetzt vor mir, eßt Pommes, trinkt Bier.

Dazu noch die Buchstabensuppe, von uns allen serviert,

was hoffentlich nicht zur Übersättigung führt.

 

Wir alle hier oben lieben euren Applaus!

Danke dafür, jetzt ist’s aus!

Viel zu lange unbenutzt

Heute will ich mit gutem Gefühl

mich hinein stürzen ins Buchstabengewühl.

Hier im Setzkasten ist es kuschelig.

Manche Buchstaben schon etwas muffelig.

Es sind jene, welche zu lange unbenutzt.

Ich habe sie etwas abgeputzt

und bilde nun mit ihnen einen Satz:

„Ypsilon, du nervst mach Platz.“

Zuerst das X im Alphabet,

das vor dem Ypsilon steht.

Beide sind ja arme Schlucker.

Nur wenige Worte findet einen Drucker

für sie im Text.

Das wird demnächst

Auch nicht besser, außer ich helfe etwas nach

und bringe den Einen oder Anderen an den Tag.

 

Zum x-tenmal darf ich heute schreiben.

Das Ypsilon möchte das X begleiten.

Wahrscheinlich

wird’s peinlich

oder Schwachsinn,

Hauptsache voll Sinn.

Den Joghurt kenne ich auch so,

nicht immer macht das Joghurt froh.

Welche Schreibweise ist wo beliebt?

War Schreibfanatiker in den Wahnsinn Trieb.

Ich habe im Duden gesehen,

dass Y und J oft gemeinsame Wege gehen.

Mit Yacht und Jacht

wächst mein Verdacht,

dass das Ypsilon nicht von hier wäre…

Nur Fremdwörter geben sich hier die Ehre.

 

Das X

kann nix bedeuten

oder beim Lotto alles!

In den Müll gefallen es

oder fällt es nicht???

6 aus 39 bringt es zum x-tenmal an’s Licht.

Dann kauft der Xaver,

x-fach Säcke Hafer

für sein Pferd,

das x-mal so viel wert.

Das X darf x-förmig den Gedankenstrich begleiten.

Auch tanzen beide x-mal durch die Weiten

der sprachlichen Kunst.

Ich hab‘ den Text nun ganz verhunzt

und doch noch zwei Wörter gefunden,

in denen beide miteinander verbunden sind.

Das Xylophon

hat mit seinem Ton

mich schon immer sehr entzückt

und war mein erstes Instrument, ich war beglückt.

Mit Xylit habe ich einst meinen Kaffee gesüßt,

x-fach die falsche Dosierung gebüßt,

mit grauslichem Geschmack –

in die Tonne damit, Zack Zack!

Die Xanthippe lacht,

wünscht euch eine gute nacht.

X-beinig stampf‘ ich von dannen,

mein Schutzengel hat zu gähnen angefangen.

Die Musik ist zu Ende, die CD steht still.

ich will

mein Bett besuchen

und träume vom Sonntagskuchen.

 

Die Strichliste

Rote Lichter blinken, Hupen plärren,

dass einem Aug‘ und Ohren brennen.

 

Das Hälschen knirscht, der Kopf rollt schon

auf dem naßglänzenden Straßenbelag davon.

Der Busfahrer zeigt ein unschuldiges Gesicht:

„Automatische Türe, ich war das nicht.“

Und schon,

rollt der Bus eilig davon.

 

Automatisch öffnet sich der Ausstieg.

Es ist still und freudig

geh‘ ich auf die Tür zu,

welche mir im Nu

eine Ohrfeige serviert.

Erschrocken und wie der Pavlosche Hund dressiert,

drücke ich den Öffnungsknopf: Tür auf, Versuch Nummer zwei.

Kein Warnsignal! Und dabei

umarmt mich schmerzhaft die Tür…

Der Busfahrer kann nichts dafür.

Automatische Schließfunktion und schon,

fährt der Bus eilig davon.

 

Nun schrie ich vor Schmerzen an der Haltestelle.

Blicke in die Busfenster noch auf die Schnelle.

Keiner bemerkte das Geschehen,

alle haben in ihr smartes Phone gesehen.

Ich, das Problem nun ausgestiegen,

wir haben es eilig, lass‘ mer’s liegen.

Wenn ich nur wüsste, wer dort am Steuer:

Mensch oder automatisches Ungeheuer.

 

Rote Lichter blinken, Hupen plärren,

dass dem Fahrgast Aug‘ und Ohren aus dem Kopfe quellen.

 

Das Hälschen knirscht, der Kopf rollt schon

auf dem von der Sonne beschienen Straßenbelag davon.

Der Busfahrer schüttelt sein unschuldiges Gesicht:

„Automatische Türe, ich war das nicht.“

Und schon,

fährt flink der Bus davon.

 

Am Laternenpfahl, etwas verborgen,

hat jemand am Morgen

einen Zettel angebracht

und in der Nacht

ziert eine Strichliste das Papier:

„Gestern fünf, heute vier.“

 

Sonnenniedergang

Ich bin durch die Stadt spaziert und nun platt wie eine Flunder.

Schau müde aus dem Fenster, die Sonne geht unter.

Eigentlich ist es ein Niedergang,

leuchtend rot am Horizont entlang.

Bevor hier die Nacht bricht,

entfaltet sich eine ungeahnte Farbenpracht.

Jeden Tag auf’s neu,

gerne sie treu

uns am vielen Abenden,

wenn wir draussen

sind oder am Fenster stehend den Himmel betrachten.

Niemals dachten

wir, das Schauspiel sei langweilig.

Noch heute habe ich es nicht eilig

mich zu entfernen.

Ich warte, um den Sternen

einen Gruß zu winken

und immer winken sie zurück und blinken.

Jeden Abend, auf der Insel Keywest,

stille Ehrfurcht bis der Rest

des Sonnenlichts im Meer versunken, Applaus und Brandung sich vereinen.

Egal was ist in dieser Welt,

beim Sonnenniedergang bin ich mit mir im Reinen.

 

Duftendes Glück

Neulich trat ich ganz, ganz leise,

Mal wieder in die Hundescheiße.

Dies bringe Glück las ich einstmal.

Doch der Gestank ist eine Qual.

Versteckt im tiefen weichen Blätterteppich,

verzierte sie meine Schuhspitze neckisch

und auch das Oberleder dazu.

Ich suchte eine Bank im Nu.

Meinen Schuh,

notdürftig gereinigt mit Spucke und Taschentuch,

stieg ich dann in den U-Bahnzug.

Ich stank und miefte vor mich hin,

dies bemerkte keiner dort drin.

Zuhause wusch und putzte ich meine Schuh‘,

bis sie duftenden und glänzten im Nu.

…und ich wünsche mir dabei ganz leise:

„Ein anderer möge treten in die Scheiße.“

 

Nun ist es mir zum ersten Mal passiert, dass ich einen Beitrag 2x schrieb. Sollten Sie „Nachtleben“ suchen, Sie finden es im Archiv Oktober 2021 unter dem Titel „Nachteule“. Viel Vergnügen.